Kategorie: #DigitalMondayBlog

Alles unter Dampf?! …oder arbeiten Sie schon agilstabil?

Die Art, wie heute fast überall zusammengearbeitet wird, stammt aus einer Zeit, als die Produktion in den Fabriken von Dampfmaschinen angetrieben wurde. Die Arbeitskräfte hatten überwiegend keine Ausbildung und mussten ganz genaue Anweisungen erhalten, damit am Ende des Fließbandes die richtigen Produkte herauskamen. Das war Massenware, die in möglichst großen Mengen billig hergestellt werden sollte. Die Konkurrenz war sehr überschaubar und grundlegende Innovationen eine Seltenheit. Für die Epoche der Industrialisierung eignete sich die zentralisierte Managementpyramide als Organisationsform sehr gut.

Richard Pircher

Im Zeitalter der Digitalisierung sieht nun einiges ganz anders aus. Dennoch arbeiten wir meist immer noch in der althergebrachten Pyramidenstruktur unserer Urgroßväter. Vineet Nayar, der Vice Chairman von HCLT mit über 100.000 MitarbeiterInnen, fasst das so zusammen: „Viele Unternehmen auf der Welt versuchen neuzeitliche Geschäfte in jahrhundertealten Strukturen abzuwickeln“

Dieser Umstand führt neben anderen Faktoren zu einigen „Schmerzpunkten“, die durch den Trend zur Digitalisierung immer stärker spürbar werden: Starrheit, geringe Innovationsfähigkeit, schwache Motivation, Ressourcenvergeudung und Ineffizienzen in der Organisation, individuelle Überlastung oder das Gegenteil davon, Bore-out, kaum überwindbare Barrieren für die eigene Entwicklung, Manager ohne Leadershipfähigkeiten, das Vorherrschen individueller Machtinteressen statt Ausrichtung auf ein gemeinsames Ziel, geringe Attraktivität des Unternehmens am Arbeitsmarkt.

Geht Zusammenarbeit auch anders? Ja!

Einige Unternehmen zeigen, dass mit neuen Formen der Zusammenarbeit der Weg zu lebendiger Entwicklung in einem dynamischen Umfeld gegangen werden kann. Ihre Ansätze geben Hinweise darauf, welche zeitgemäßeren Formen der Organisation und Zusammenarbeit möglich und praktikabel sind, losgelöst von Pyramidenstruktur und klassischem Management- und Führungsmodell.

Das Wort „agil“ wird im Wirtschaftskontext nun schon fast inflationär verwendet. Doch wird es wirklich verstanden? Löst dieser Begriff Wort nicht viele Fragezeichen und Verunsicherung sowohl bei Managern als auch bei Mitarbeitern aus, weil in den Unternehmen kaum eigene Erfahrungen vorhanden sind und in der Öffentlichkeit viele verschiedene Konzepte, Meinungen und „Stories“ herumschwirren?

Für mein im August 2018 erscheinendes Buch „Agilstabile Organisationen – Der Weg zum dynamischen Unternehmen und verteilten Leadership“ habe ich zehn erfolgreiche Pionierunternehmen auf Basis von Interviews analysiert und daraus Schlussfolgerungen abgeleitet.

„Exzellenz ist der Grund für Mitbestimmung.“

Die folgenden Aussagen von Unternehmensmitgründern und -miteigentümern aus Unternehmen der Digitalbranche, die im Buch behandelt werden, bringen zwei von mehreren zentralen Argumenten für die Einführung derartiger Organisationsstrukturen auf den Punkt:

  • „Wir haben alles weggelassen, was man nicht braucht.“ (Michael Botek, ITdesign)
  • „Exzellenz ist der Grund für Mitbestimmung.“ (Nadja Perroulaz, Liip AG)

Einerseits kann es also auch sehr einfach möglich sein, Zusammenarbeit so zu organisieren, dass das ein Unternehmen in einem dynamischen, digitalen Umfeld flexibler und erfolgreicher tätig sein kann und trotzdem klar ausgerichtet ist. Andererseits geht es darum, das gesamte Know-how im Unternehmen wirklich effektiv zu nützen und alles Unsachliche, wie Macht- und Autoriätsbefindlichkeiten, weitgehend auszuklammern.

Als Kernelemente oder Prinzipien solcher neuartigen, dezentralen und organisch flexiblen Strukturen fasse ich aufgrund der Praxisbeispiele zusammen:

  • Klare Ausrichtung auf das Unternehmensziel, die bei Bedarf angepasst wird
  • Menschen wird zugetraut, sich über ihren aktuellen Lebenslauf und die jeweilige Stellenbeschreibung hinaus weiter zu entwickeln
  • Flexible Rollen und Durchlässigkeit für individuelle und organisatorische Entwicklung
  • Themengetriebenes, verteiltes Leadership im Sinne des gemeinsamen Zieles statt direktiver Anweisung und Kontrolle von oben
  • Klare und partizipative Kommunikations-, Meeting- und Entscheidungsprozesse
  • Verantwortliche Teams bzw. Bereiche
  • Flexible Zuteilung von Ressourcen
  • Schnelle Experimentier- und Lernzyklen
  • Transparente Information

Was ist „agilstabil“?

Für die Verunsicherung in den obersten Etagen aufgrund von Digitalisierung und zunehmender Dynamik gibt es eine Antwort: Wie der Erfahrungen der von mir interviewten Pionierunternehmen zeigen, lässt sich für jedes Unternehmen entsprechend seiner Geschichte und dem Status Quo ein passender Weg in Richtung Agilität finden.

Es muss und soll auch nicht alles gleichermaßen agil sein. Innerhalb einer Organisation gibt es Bereiche mit unterschiedlichen „Geschwindigkeiten“ und Vorgangsweisen. Die Buchhaltung bspw. wird und muss nicht so agil sein, wie vielleicht der Vertrieb oder die Innovation. Deshalb sollten jeweils unterschiedliche, passende Formen der Zusammenarbeit und Struktur in diesen Bereichen kultiviert werden, die sich auch für unterschiedliche Persönlichkeitsstrukturen und Lebensphasen der Mitarbeiter eignen.

Wie kann ein Unternehmen agilstabil werden?

Entscheidende Eigenschaften, die es einem Unternehmen ermöglichen, sich sowohl professionell stabil zu verhalten als auch sich flexibel an ein dynamisches Umfeld anzupassen, können mit dem AgilStabil Check (ASC) überprüft werden.

Der AgilStabil Check (ASC) ermöglicht es, den Status Quo der Organisation abzubilden, gemeinsam mit der Unternehmensleitung strategisch relevante Aktionsfelder zu identifizieren und geeignete Maßnahmen umzusetzen. Die Wirkungen dieser Schritte werden wiederum mit dem ASC gemessen und evaluiert.

Schlussfolgerung

Die Digitalisierung ist einer der zentralen Treiber für ein dynamischeres Umfeld. Wie Unternehmen organisiert sind, besitzt großen Einfluss darauf, wie erfolgreich sie damit umgehen und die Menschen in ihnen sich weiterentwickeln und wirksam werden können. Die Praxis zeigt, dass es dafür unterschiedliche Wege gibt, die schrittweise in geeigneter Form umgesetzt werden können.

Ausgewählte Publikationen:

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Richard Pircher ist Unternehmensberater und Professor an der Fachhochschule des BFI Wien. Er unterstützt Organisationen bei Entwicklungsprozessen und hält Workshops, Seminare und Vorträge zu den Themen neue Führungs-, Entscheidungs- und Organisationsformen, New Work Experience, Selbstführung, Strategieentwicklung, Führen bei Unsicherheit und Wissensmanagement. Persönliche Erfahrungen mit neuen Organisationsformen konnte er bei einem nach Holacracy organisierten Start-up und der von ihm ins Leben gerufenen Bildungsinitiative [aha:] Lernräume sammeln. Nähere Informationen sind zugänglich unter www.agilstabil.com.

Kontakt: office@richardpircher.com www.richardpircher.com www.xing.com/profile/Richard_Pircher https://www.linkedin.com/in/richardpircher/

 

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