Coronavirus: Während Isolation Suchtverhalten entgegentreten
Die „Coronakrise“ fordert uns alle. Gewohnte Abläufe müssen neu gedacht werden, Tagesstrukturen haben sich drastisch verändert. Die Beschränkungen im Alltag, für viele auch das Alleinsein oder auch die plötzliche Enge im Familienalltag kann zu einem Anstieg im Konsumverhalten führen. Wir wollen den Wienerinnen und Wienern die Möglichkeit bieten, selbstkritisch mit ihrem Konsum umzugehen.
Eine aktuelle Studie der Universität Wien zeigt auf, dass zwar im Durchschnitt – laut Eigenangaben – der Konsum von Alkohol gleich geblieben ist, jedoch Personen, die von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit betroffen sind, vermehrt konsumieren. Jene, die große Einsamkeit erleben trinken ebenfalls mehr Alkohol als früher. Auch der Tabakkonsum hat sich im Durchschnitt leicht erhöht. Zum Konsum illegalisierter Substanzen in Zeiten von Corona gibt es derzeit keine gesonderten Zahlen für die Stadt Wien.
Generell: 14 % der Menschen in Österreich, also mehr als jede bzw. jeder siebte, konsumieren problematisch. Dies kann längerfristig gesundheitsgefährdend sein.
Der höchste Anteil der Menschen mit problematischem Alkoholkonsum findet sich bei 50- bis 60-Jährigen und nicht – wie oft angenommen – bei Jugendlichen, die nach eigenen Angaben weniger trinken als vor der Krise.
Sucht und Abhängigkeit
Sucht ist der umgangssprachliche Ausdruck für eine Abhängigkeitserkrankung. Eine Abhängigkeitserkrankung ist keine Willensschwäche oder moralische Verfehlung.
Personen können von Substanzen (z.B. Alkohol, Nikotin, Medikamente, Cannabis) abhängig sein, in diesem Fall wird von einer „substanzgebundenen Sucht“ gesprochen. Personen können aber auch von bestimmten Verhaltensweisen abhängig werden – zum Beispiel Glückspiel oder Sportwetten. Diese Formen eines zwanghaften, nicht kontrollierbaren und problematischen Verhaltens werden als „substanzungebundene“ beziehungsweise „verhaltensbezogene Abhängigkeitserkrankung“ bezeichnet.
Abhängigkeitserkrankungen treten häufig gemeinsam mit anderen psychischen Erkrankungen auf, diese werden als komorbide Erkrankungen beziehungsweise Komorbiditäten bezeichnet. Sucht als psychische Erkrankung wird in der Gesellschaft leider nach wie vor sehr stigmatisiert.
Eine Suchterkrankung entwickelt sich nicht von heute auf morgen. Es ist ein längerer Prozess bei dem viele Faktoren eine Rolle spielen. Konsum führt auch nicht automatisch zu Sucht. Viele Menschen, die Suchtmittel konsumieren, entwickeln keine Abhängigkeitserkrankung. Sie konsumieren in bestimmten Phasen oder zu bestimmten Zeiten oder hören mit dem Konsum wieder auf. Für jene, die ein problematisches Konsumverhalten entwickeln, ist professionelle Unterstützung sehr hilfreich.
Motive
Jeder Mensch hat unterschiedliche Beweggründe, wenn er zu Suchtmitteln greift. Dabei stehen „normale“ menschliche Grundbedürfnisse nach Geborgenheit, Zugehörigkeit, Entspannung, Leistungsfähigkeit etc. im Vordergrund.
Die unterschiedlichen Motive lassen sich zusammenfassen in Verbesserungsmotive oder Verringerungs- und Fluchtmotive (z.B. Verringerung von Ängsten, Stressbewältigung, Selbstmedikation). Diese sind gerade jetzt in Krisenzeiten häufig.
Problematisch wird es dann, wenn der Konsum als einzige Möglichkeit gesehen wird, um einen bestimmten Zustand zu erreichen – wenn man zum Beispiel, um zu entspannen, nur Cannabis als Möglichkeit für sich sieht bzw. nichts anderes mehr funktioniert.
Digitale Prävention und psychische Gesundheitsförderung
Mit MINDBASE.at bietet das Institut für Suchtprävention Wien eine niederschwellige und anonyme Möglichkeit sich über psychische Erkrankungen, problematische Konsummuster und Verhaltensweisen zu informieren. Geprüfte und kostenlose Online-Selbsthilfe-Programme unterstützen Interessierte bei der gewünschten Verhaltensänderung und begleiten auf dem Weg zu einem höheren psychischen Wohlbefinden. Zudem legt die Plattform Wert auf Übersichtlichkeit und kompakte Informationen zum Thema Sucht und zu anderen psychischen Erkrankungen.
Den Alkoholkonsum reduzieren, weniger kiffen oder mit dem Rauchen aufhören und selbstbestimmter leben: Die Anonymität der kostenlosen Online-Hilfe ermöglicht allen Interessierten einen leichteren und schnellen Zugang zu Unterstützung und Hilfe und stärkt die Selbstbefähigung.
Tools die derzeit auf MINDBASE.at zur Verfügung stehen
alkcoach
Weniger Alkohol trinken? Das Online-Selbsthilfe-Programm alkcoach unterstützt Sie bei der Konsumreduktion. Es dauert insgesamt sechs Wochen und wird ausschließlich via Internet durchgeführt. Das Programm ist kostenlos und anonym. Alle Angaben sind streng vertraulich.
CANreduce
Weniger kiffen? Das Online-Selbsthilfe-Programm CANreduce hilft Ihnen dabei. Es dauert insgesamt sechs Wochen und wird ausschließlich via Internet durchgeführt. Das Programm ist kostenlos und anonym. Alle Angaben sind streng vertraulich.
Rauchfrei App
Mit Hilfe gelingt’s leichter! Diese App des Österreichischen Rauchfrei Telefons begleitet Sie beim Rauchstopp! Sie ist griffbereit, wann immer Sie Unterstützung brauchen!
Promillator – Promillerechner
Wieviel Promille habe ich eigentlich? Eine App für eine schnelle und unkomplizierte Einschätzung des Alkoholgehaltes im Blut.
Polarstern – Stärken finden App
Mit der kostenlosen App haben schon viele junge Menschen ihre persönlichen Stärken entdeckt und damit verschiedene Möglichkeiten, diese für ein selbstbewusstes und erfolgreiches Leben einzusetzen.
E-Mental Health
Seit 2016 befasst sich das Institut für Suchtprävention der Sucht- und Drogenkoordination Wien mit der Entwicklung, dem Aufbau und der Integration von E-Mental Health Angeboten im Bereich der Prävention, Frühintervention und psychischer Gesundheitsförderung.
Ein zentraler Aspekt der Plattform MINDBASE.at ist es, interessierten Personen seriöse Informationen und geprüfte Selbsthilfeprogramme in die Hand zu geben, um die eigene Gesundheitskompetenz zu steigern.
Neben den Online-Selbsthilfe-Tools werden auch auf die anonymen und verschlüsselten Online-Beratungsangebote von checkit und des Vereins Dialog hingewiesen und bei den jeweiligen Themen auf mindbase.at auf viele weitere bestehende Online Angebote hingewiesen.
Webbasierte Angebote ersetzen keine „Face-to-Face“- Beratung oder Behandlung, sondern sie erweitern das bestehende Hilfesystem durch digitale Möglichkeiten.
Links:
MINDBASE.at
Institut für Suchtprävention der Sucht- und Drogenkoordination Wien
Quellen:
Studie der Universität Wien
Österreichische Dialogwoche Alkohol
Lisa Brunner ist Leiterin des Instituts für Suchtprävention der Sucht- und Drogenkoordination Wien und Vorstandsvorsitzende der Österreichischen ARGE Suchtvorbeugung – der Zusammenschluss der neun Fachstellen für Suchtprävention der Bundesländer.
Brunner ist Absolventin der Magisterstudien Publizistik und Kommunikationswissenschaften, sowie Pädagogik. Sie ist diplomierte Elementarpädagogin, systemische Beraterin/Coach und Achtsamkeitslehrerin.