Data Commons und Wiens ‘digitaler Humanismus’
Daten sind wertvoll, nicht nur ökonomisch, sondern auch sozial. Sie sind ein wesentlicher Baustein, um Zukunft gestalten zu können.
Data Commons können eine wichtige Rolle spielen, um diese Gestaltungsfähigkeit wieder stärker in die Hände der Menschen zu legen, die die Daten generieren und die direkt von ihrer Auswertung betroffen sind.
Aktuell haben wir nur zwei rechtlich-organisatorische Modelle, wie wir den Umgang mit diesen Daten regeln.
Entweder als private, geschlossene Daten. Privat im Sinne des Datenschutzes oder im Sinne der Eigentumsordnung. Oder als frei verfügbare, offene Daten im Sinne von ‘open (government) data’, ‘open source’, ‘open access’ oder ähnlichem. Besonders in der Wissenschaft und in der öffentlichen Verwaltung sind Rufe, dass Daten offen sein sollen, unüberhörbar und in vielen Fällen auch wohlbegründet. Die Stadt Wien hat hier eine Vorreiterrolle eingenommen und verfügt über ein großes Open Data Portal.
Aber beide Modelle haben ihr Grenzen, sie sind nicht für alle Fälle geeignet.
Das Modell der privaten Daten berücksichtigt nicht, dass Daten oftmals transaktional sind, das heißt, dass mehr als eine Partei an der Entstehung beteiligt sind und die Daten deshalb nicht einfach einer Partei zugeschrieben werden sollten, auch nicht jener, die die technische Infrastruktur bereitstellt, auf der die Transaktionen stattfinden.
Offene Daten berücksichtigt nicht, dass heute große, sehr mächtige Akteure auf dem Feld sind, die diese Daten abgreifen, in privaten Gewinn verwandeln aber nichts, oder zu wenig, zu den Entstehungskosten beitragen, sei das in Form von lokalen Steuern oder in Form von Nutzungsgebühren.
Daten Commons bieten einen dritten Weg an, wie mit Daten umgegangen werden kann.
Was sind Commons?
Commons sind Güter, die von einer Gemeinschaft zum Nutzen der Gemeinschaft geschaffen und verwaltet werden. Gemeinschaftsgärten sind eine Form aktueller, urbaner Commons. Sie unterscheiden sich sowohl vom privaten Garten des Eigenheims, als auch von öffentlichen Parks. Sie sind anders, nämlich gemeinschaftlich und selbstverwaltet. Bei allen Commons stellen sich die selben Grundfragen: Was ist das Gut? Wer gehört zur Gemeinschaft? Und, welches sind die Regeln des Umgangs miteinander und mit der Ressource? Im Falle der Gemeinschaftsgärten sind diese Fragen relative einfach zu beantworten.
Bei Data Commons ist es etwas komplizierter. Nehmen wir als Beispiel die Elektro-Scooter. Wem gehören da die Daten? Einfach der Firmen, die die Scooter aufstellen? Nicht unbedingt. Denn man kann zu Recht sagen, dass diese Daten gemeinschaftlich produziert werden. Vom Mobilitätsunternehmen, von den NutzerInnen, von der Stadtverwaltung und von allen anderen lokalen VerkehrsteilnehmerInnen.
Um einen Daten Commons zu bilden, müssen diese AkeurInnen an einen Tisch gebracht werden, und sie beschließen gemeinsam, wie mit den Daten umzugehen ist. Eine mögliche Regel könnte etwa lauten, dass alle Mitglieder der Gemeinschaft freien Zugang zu den Daten (im Rahmen des Datenschutzes) bekommen, dass alle anderen keinen, oder nur unter zu verhandelnden Bedingungen für festgelegte Zwecke. Möchten etwa Google, oder andere internationale Mobildienstleister diese Daten Nutzen, dann müssen sie vielleicht dafür zahlen und so etwas zum Commons beitragen. Dies würde nicht zuletzt lokale Unternehmen stärken.
Daten Commons und Wiens digitaler Humanismus
Ein wesentlicher Punkt von Daten Commons ist auch, dass sich die Gemeinschaft selbst die Regel geben kann, und damit wieder ein Stück Souveränität – Datensouveränität – zurück gewinnt. Sie kann darüber entscheiden, was mit den Daten, die generiert wurden geschehen soll. Heute ist diese Entscheidungsmacht, sowohl bei privaten als bei ‘offenen’ Daten weitgehend verloren.
Die Idee der Daten Commons liegt in der Luft. Barcelona experimentiert damit, Amsterdam auch, und auch in Wien könnte sie einen wesentlichen Beitrag zur Vision des ‘digitalen Humanismus’ leisten.
Felix Stalder ist Professor für Digitale Kultur und Theorien der Vernetzung an der Zürcher Hochschule der Künste, Mitglied des World-Information Institutes in Wien und langjähriger Moderator von <nettime>, einer internationalen Mailingliste zur Netzkritik. Er beschäftigt sich mit dem Wechselverhältnis von Gesellschaft, Kultur und Technologien und forscht u. a. zu Digitalität, Urheberrecht, Commons, Privatsphäre, Kontrollgesellschaft und Subjektivität.
Der Text war die Basis für den „Data Commons Workshop“ mit Walter Palmetshofer (Urban Innovation Vienna) bei den Digital Days am 4. November 2019.