Die perfekte U-Bahnkarte?
Wo auch immer Sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinreisen, begegnen Sie Karten mit vereinfachten Routen, die in schematische Diagramme umgewandelt wurden. Trotz der Verbreitung von Navigations-Apps bleiben schematische Karten wichtige Informationsquellen, die weithin bei der Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel behilflich sind. Doch sind diese Karten wirklich so effektiv wie möglich gestaltet, um die höchstmögliche Fahrgast-Unterstützung zu bieten? Könnten manche von ihnen verbessert werden? Wie kann dies gelingen?
Im Zuge meiner psychologischen Forschungsarbeit verfechte ich das Gebiet der Usability schematischer Karten und suche Antworten zu folgender Frage: „Welche Information und welches Layout ist am nützlichsten für KartenbenutzerInnen?“ Um dies zu beantworten ist eine Reihe von Konzepten unterschiedlicher Disziplinen zu integrieren; außerdem müssen weitere Daten gesammelt und koordinierte Entscheidungen getroffen werden.
Meine KollegInnen an der TU Wien arbeiten für die Erstellung von verschiedenen Kartendesigns mit modernen algorithmischen Techniken. Es handelt sich um die Forschungsgruppe von Martin Nöllenburg, mit dem ich im April 2019 den zweiten „Schematic Mapping Workshop“ organisierte. Durch eine automatische Bewertung von Karten mit aussagekräftigen Qualitätsmerkmalen können Computer systematisch eine Vielzahl von Möglichkeiten und Designvariationen schaffen und vergleichen – das alles in einem Bruchteil der Zeit, die ein Mensch dafür benötigen würde.
Die GestalterInnen der Karten sind dafür verantwortlich, dass genau die Informationen bereitgestellt werden, die für bestimmte Aufgaben nötig sind. Es wurde gezeigt, dass das menschliche Gehirn über begrenzte kognitive Kapazitäten verfügt. Je mehr Informationen Menschen erhalten, umso wahrscheinlicher kommt es zu Fehlern bei der Anwendung. Daher sollte Information klar und eindeutig formuliert sein. Menschen mögen klare Strukturen. Allerdings bieten die meisten Pläne nicht genug Einfachheit und Organisation. Die Pariser U-Bahnkarte verwandelt die Komplexität der kurvenreichen Routen stattdessen in einen Haufen Zickzacklinien. Russische Karten mochte ich immer schon. Obwohl St. Petersburg ein überschaubares Routen-Netzwerk hat, wurde es auch in ein einfaches, schönes Design übertragen. Leider stellen die deutschen – wie auch die amerikanischen – Karten Fahrgäste vor Herausforderungen. Denn diese verwenden eine Farbe pro Route, auch bei von mehreren Linien befahrenen Strecken. In Frankfurt führt das System dazu, dass in der Mitte ein unglaublich dickes Hufeisen entsteht – da viele Routen einzelner Linien einander sehr ähneln. Französische und britische Karten dagegen fassen ähnliche Routen mit einer Farbe zusammen.
Mit der Zunahme der Komplexität von Netzwerken müssen wir uns die Frage stellen, ob Designvorschriften, wie die Verwendung „oktolinearer“ Darstellungen (die lediglich aus vertikalen, horizontalen oder 45°-diagonalen Linien bestehen) für jedes Netzwerk angebracht sind.
Ich kann Ihnen ein Beispiel einer Karte mit ungewöhnlichen Designgrundsätzen zeigen, die im Internet für viel Wirbel sorgte und mich für zwei Wochen berühmt machte. Es handelt sich um die „London Underground Concentric Circles“-Karte. Obwohl die Karte als attraktiv bewertet und bejubelt wurde, müssen wir ein neuartiges Design stets darauf testen, ob es tatsächlich Usability-Vorzüge bietet. Es zeigte sich nämlich, dass Karten mit konzentrischen Kreisen zwar beliebt sind, aber sehr wohl Usability-Probleme aufweisen.
Bisher gab es wenig Kommunikation zwischen den Betreiberfirmen des öffentlichen Verkehrs und der Forschungs-Community im Bereich schematischer Karten. Möglicherweise liegt das daran, dass es sich in den meisten Städten um ein sehr bürokratischen Wirtschaftsbereich handelt. Darüber hinaus werden Karten oft von Marketingabteilungen erstellt, deren Personal nicht immer Verständnis für den Bedarf und Wertschätzung für die Vorzüge von Usability-Tests aufbringt. Viele Liniennetzpläne erfüllen derzeit nicht ihren Zweck aufgrund grundlegender Fehler, sodass Betreiberfirmen daran scheitern, sich von ihrer besten Seite zu zeigen.
Allerdings empfingen wir beim Workshop in Wien auch TransportexpertInnen der Wiener Linien. Der Workshop in Wien zeigte ein steigendes Interesse an Karten-Usability bei Fachkräften des öffentlichen Verkehrswesens. Trotz der jährlich zunehmenden Herausforderungen für Designer – das Schaffen einfacher, effektiver Karten, um die Komplexität von Liniennetzen zu zähmen – bin ich daher optimistisch.
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Max Roberts ist seit 1993 Vortragender am Institut für Psychologie an der Universität Essex. Er erlangte akademische Abschlüsse im Fach Psychologie an der Universität Nottingham (BSc, 1988; PhD, 1992). Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der menschlichen Interpretation von Informationen und auf der Frage, wie dies zu Beurteilungsfehlern führen kann. Auf seine Website unter dem Namen „Tube Map Central“ sind seine Texte, Designs und Forschungsarbeiten zur Usability und Ästhetik von Liniennetzplänen versammelt, unter dem Versuch, Unterhaltung mit Bildung in Balance zu bringen.
Der „Schematic Mapping Workshop“ wurde am 11. und 12. April 2019 von der Gruppe Algorithmen und Komplexität der Fakultät für Informatik und der Abteilung für Geodäsie und Geoinformation der TU Wien mit Unterstützung des Vienna Center for Logic and Algorithms (VCLA) und der Wiener Linien organisiert.