Desinformation – Gefahr für die demokratische Gesellschaft
Vor allem in Wahlkampfzeiten können gezielte Desinformationskampagnen zur Gefahr für demokratische Gesellschaften werden. Durch einen Aktionsplan gegen Desinformation will die EU-Kommission die Beeinflussung von Wählerinnen und Wählern vor der Europawahl am 26. Mai verhindern. Mediamanual wird Materialien zum Thema bereitstellen.
„Fake News” und Desinformation
Vieles wird heute mit dem Etikett „Fake News” versehen – sowohl unbewusste oder aus Schlampigkeit entstandene Falschmeldungen wie bewusste Fehlinformationen, doch es dient (vor allem dem amerikanischen Präsidenten) auch als abfällige Bezeichnung für faktisch korrekte, aber missliebige Berichterstattung. Der Begriff Desinformation hingegen bezeichnet falsche oder irreführende Nachrichten, die mit dem Ziel in Umlauf gebracht werden, die Öffentlichkeit zu täuschen und eine wirtschaftliche oder politische Agenda zu befördern. Die Bandbreite von Desinformation reicht von irreführend oder verkürzt dargestellten Fakten über falsche Verknüpfungen von Bildern und Inhalten bis hin zu gänzlich erfundenen Sachverhalten. Die Faktenchecker-Organisation First Draft hat eine nützliche Typologie der Fehl- und Desinformation entwickelt.
Emotion schlägt Information
Da wir in sozialen Netzwerken bevorzugt Beiträge kommentieren, liken und teilen, die uns emotional berühren, werden Geschichten, die der Desinformation dienen sollen, emotional aufgeladen. Sie sollen Vorurteile bedienen, Angst, Wut oder Empörung erzeugen. Auch Bilder spielen eine wichtige Rolle. Je häufiger diese Storys geteilt werden und in unseren Newsfeeds auftauchen, desto eher neigen wir dazu, sie zu glauben: Denn an einer Geschichte, die wir schon mehrmals in verschiedenen Beiträgen gelesen haben, wird ja wohl etwas Wahres dran sein. Diesen gezielt platzierten Falschnachrichten durch nachträgliche Aufdeckung beizukommen, ist fast unmöglich. Zum einen werden die Berichtigungen seltener geteilt als die Ursprungsbeiträge; zum anderen verschafft auch die Berichtigung der Ursprungsnachricht neuerliche Aufmerksamkeit.
Gefahr durch Desinformations-Kampagnen
Es ist mittlerweile erwiesen, dass staatliche Akteure in Drittländern durch großangelegte Desinformationskampagnen versuchen, gesellschaftliche Debatten innerhalb der EU zu beeinflussen. Als wahrscheinlicher Urheber vieler Kampagnen gilt die Russische Föderation, mit dem Ziel der Schwächung der Europäischen Union. Doch auch Akteure innerhalb der EU fördern eigene Interessen mithilfe von Desinformation, insbesondere in Ländern, wo Massenmedien unter staatlichen Einfluss geraten sind und zu Propagandazwecken missbraucht werden können. Gerade in Wahlkämpfen wird Desinformation so zu einer Gefahr für die Demokratie.
Aktionsplan gegen Desinformation
Um eine Beeinflussung durch Fake News-Kampagnen vor den Wahlen zum Europaparlament am 26. Mai zu verhindern, hat die EU-Kommission im vergangenen Jahr einen umfangreichen Aktionsplan gegen Desinformation beschlossen. Durch mehrere Maßnahmen sollen die demokratischen Systeme der EU vor der Einflussnahme durch Desinformations-Kampagnen geschützt werden. So haben sich die Betreiber von sozialen Netzwerken und die Werbebranche bereits im September 2018 auf einen Verhaltenskodex geeinigt, um Desinformation auf ihren Plattformen zu bekämpfen. Es soll eine EU-weite Faktencheck-Plattform und ein Frühwarnsystem etabliert werden, um auf Kampagnen schnell reagieren zu können. Investigativer Journalismus soll verstärkt unterstützt werden, da unabhängige Qualitätsmedien für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft unerlässlich sind.
Medienkompetenz der Bevölkerung fördern
Schließlich muss auch die Zivilgesellschaft in die Abwehr von Desinformationskampagnen aktiv eingebunden werden. Dazu ist es notwendig, die Medienkompetenz der Bürgerinnen und Bürger zu fördern; da Mediamanual seit 20 Jahren in diesem Bereich tätig ist, sind wir mit der Koordination der Angebote beauftragt. Wir erstellen gerade ein umfangreiches Paket an Ressourcen, Links und Unterrichtsmaterialien zum Thema Nachrichtenkompetenz, das ab Mitte März auf unserer Website bereit stehen wird.
In der ersten EU-weiten media literacy week von 18. bis 22. März 2019, aber auch darüber hinaus, sollen die Quellen und Methoden der Desinformation im Rahmen von Debatten, Schulungen, Konferenzen und Publikationen vermittelt und die Zusammenarbeit zwischen Expertinnen und Experten der EU-Staaten gefördert werden. Wer ein Angebot in den Veranstaltungskalender einbringen möchte, wende sich bitte an mich unter christoph.kaindel@mediamanual.at.
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Christoph Kaindel ist studierter Historiker und seit 15 Jahren als Medienpädagoge tätig, unter anderem als pädagogischer Leiter des Vereins Wiener Bildungsserver, Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Wien und fester Bestandteil des mediamanual-Teams.
Im Auftrag des Bildungsministeriums unterstützt mediamanual seit 2001 Schulen bei der Umsetzung des Unterrichtsprinzips Medienbildung. Unser größtes Projekt ist der media literacy award [mla], der herausragende Medienprojekte an Schulen auszeichnet. Rund um die Verleihung des [mla] Mitte Oktober rufen wir zur Teilnahme an der „Woche der Medienkompetenz‟ auf.