Digitale Lösungen für Menschen in Not
„Not sehen und handeln“, dieser Satz steht am Beginn des Leitbilds der Caritas der Erzdiözese Wien. In vielen Einrichtungen, oft in enger Kooperation mit der Stadt, ist die Caritas für Menschen am Rand der Gesellschaft und am Rand des Lebens da. Oft findet diese Hilfe von Angesicht zu Angesicht statt: In der Pflege, in der Beratung in schwierigen Lebenssituationen, in der Betreuung von Menschen mit Behinderung.
Ich frage mich: In einer digitalen Gesellschaft, in einer SmartCity, gibt es auch digitale Lösungen für Menschen in Not? Können wir neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, ChatBots, Plattformen & Co auch einsetzen, um niederschwellig, rasch und zuverlässig zu helfen? Und wie verändert das das Berufsbild von Pflege und Sozialer Arbeit? Wie könnte das aussehen? Hier einige Beispiele:
Die App „Be My Eyes“ vermittelt zwischen Sehenden und Menschen mit Sehbehinderung:
Die App kombiniert einige interessante Elemente: Diejenigen, die Hilfe benötigen, können sie sehr flexibel abrufen. Mit etwas Unterstützung können sie selbstbestimmt leben. Diejenigen, die unterstützen wollen, entscheiden spontan, ob sie gerade dazu in der Lage sind. Sie gehen keine langfristige Verpflichtung ein, sie müssen nicht geschult werden, sie „sehen“ einfach.
Eine ähnliche Idee verfolgt „United Hatzalah“, auch wenn hier die freiwillige Hilfe nicht so niederschwellig ist:
Auch die Stadt verwendet bereits Plattformen zur Koordination, im Fall von where2help zwischen Hilfsorganisationen und interessierten Spendern und Freiwilligen.
Plattformen waren eine der ersten Web 2.0-Anwendungen, mittlerweile geht es einen Schritt weiter. Etwa im Bereich psychischer Gesundheit, hier zwei Beispiele aus Großbritannien:
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Werden solche Lösungen Therapien ergänzen? Oder eröffnen sie sogar die Möglichkeit, Menschen Zugang zu professionell gestalteten, wissenschaftlich fundierte Lösungen zu geben, die zu den klassischen Hilfsangeboten wie einer Therapie aus finanziellen Gründen gar keinen Zugang haben?
Sehr kontroversiell diskutieren kann man das Service WoeBot:
Diese AI-Lösung wirbt sogar damit, dass sie ohne menschliche Interaktion auskommt: „Bei der ersten Verwendung von WoeBot fand ich es befreiend, meine Ängste zu bekämpfen ohne dabei die Hilfe eines anderen Menschen in Anspruch nehmen zu müssen.“ Freilich: Aktuell ist das Service kostenlos, wie genau finanziert es sich? Was passiert mit meinen Daten? Was geschieht, wenn der Dienst manipuliert wird?
Es stellen sich nicht nur ethische Fragen. Aktuell sind wir als Hilfsorganisationen gewohnt, auf Notlagen und Bedürfnisse mit einem durchaus flexiblen Set an Möglichkeiten zu reagieren, die wir schon kennen: Beratungsstellen, Wohnhäuser, Betreuungsangeboten, etc. Die Herausforderung besteht darin, auch den digitalen Lösungsraum zu erkennen. Am freien Markt, so ist mein Eindruck, entstehen gerade viele Lösungen rund um die Pflege (Ambient-Assisted-Living). Lösungen, deren Benutzer unmittelbar Menschen in Not sind, sehe ich noch wenig. Dabei ist der Bedarf jedenfalls größer als das bestehende Hilfsangebot. Wir müssen herausfinden, wie wir auch Digitales als Lösungsraum wahrnehmen können.
Ungeachtet der vielen Fragen: Legen wir los! Experimentieren wir mit Service-Design-Methoden, sprechen wir über mögliche Finanzierungen und setzen wir Technologie als einen Baustein in einer sozialen SmartCity ein!
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Stephan Bazalka ist CIO der Caritas der Erzdiözese Wien. Die Caritas der Erzdiözese Wien umfasst das Gebiet des Bundeslandes Wien und den östlichen Teil Niederösterreichs. Neben über 4.900 hauptberuflichen leisten rund 4.900 freiwillige MitarbeiterInnen in den Einrichtungen der Caritas Hilfe von Mensch zu Mensch.