Digital Detox und die Angst, etwas zu verpassen
Früher habe ich morgens ein oder zwei Tagesmedien gelesen, während ich meinen Kaffee getrunken habe. In aller Ruhe natürlich. Danach war ich mit den wichtigsten Informationen für den Tag gewappnet. Ich habe meine drei, vier Emails gelesen und manche davon sogar beantwortet. Und dann erst habe ich mit meiner Arbeit begonnen. Heute ist das Netz meine Arbeit. Durch das Internet hat sich ein so starker Informationskanal gebildet, dass ich mich zu einem Informationshändler entwickelt habe.
Ich abonniere den Standard, die Presse und viele Fachmedien. Digital natürlich. Ich schaue Nachrichten via ORF, ZDF, CNN und Al Jazeera. Schließlich muss man als Chefin einer Kommunikationsagentur immer und über alles informiert sein. Ebenfalls digital versteht sich. Ich bekomme pro Tag an die 150 Emails und informiere mich morgens als Erstes nach dem Aufwachen und abends vor dem Schlafengehen, ob und was es Neues gibt. Ebenfalls digital. Wie auch sonst? Ach ja, und ich informiere mich rasch. Gemütliches Lesen geht sich zeitlich nicht aus bei der Vielzahl an Informationsangeboten.
Doch manchmal schlafe ich schlecht, denn die vielen Nachrichten, die permanent digital in mein System dringen, frustrieren mich.
Ich verordne mir daher am Wochenende eine neue Diät: die Informationsdiät, eine Radikalkur der Digitaldiät. Digital Detoxing für Fortgeschrittene sozusagen. Alle elektronischen Geräte werden Freitag bis Sonntag abgeschaltet. Alle, also auch Handy, WLAN, Fernseher. Dazu brauche ich kein Detox-Camp und auch kein Detox-Hotel. Ich kann das völlig kostenlos zu Hause üben. Aber im Klartext heisst das: Alles abschalten, auch den digitalen Wecker. Denn das Ziel eines Digital Detox ist die „digitale Entgiftung, weg vom Alltags- und Berufsstress zu kommen, um danach erholter, effektiver und produktiver zu sein.
Dass an dieser These was dran sein kann, zeigen die vielen Bücher und mittlerweile sogar Konferenzen. Und eines glaube ich allemal: die Welt wird sich weiterdrehen, wenn ich einmal nicht digital, erreichbar und informiert bin. Dafür werde ich um einiges entspannter sein. Hoffe ich jedenfalls.
Denn wenn nicht, bin ich bereits infiziert. Mit „FOMO“ (kurz für Fear of Missing out), der Angst etwas zu verpassen, was tatsächlich für Beklemmung sorgen soll. FOMO ist zwar kein medizinisch anerkanntes Krankheitsbild, aber die Angst etwas zu verpassen ist so alt wie die Gesellschaft selbst. Und vor allem in der heutigen mobilen Zeit ist der Druck ständig im Netz dabei sein zu müssen bei vielen Leuten sehr ausgeprägt.
Probiert es doch mit mir aus: Digital Detoxing für ein Wochenende! Dann seht Ihr, ob Ihr bereits FOMOisiert seid, oder noch Netzkapazitäten habt.
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Claudia Vlach ist Gründerin und Geschäftsführerin der Kommunikations- und Marketingagentur Clever & Smart. 25 Jahre leitete sie Marketing- und Kommunikationsabteilungen internationaler IT-Unternehmen, bevor sie Clever & Smart Marketing Services gründete und sich auf digitale Kommunikation spezialisierte. Claudia betreibt mit ihren MitarbeiterInnen den Marketing- und PR-Blog blabla-deluxe.at.